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Aktuelles

15.

Über Vorsichtsmaßnahmen bei Zahlungsanweisungen (parwanaha), sei es im trunkenen, sei es im nüchternen Zustande

„Fortwährend gelangen Zahlungsanweisungen an Reichskanzlei und Schatzkanzlei.
Bei wichtigen Verwaltungsakten, bei Belehnungen und Gnadenerweisen kann die sofortige Ausführung eines solchen Befehls notwendig werden.

Das ist eine heikle Sache. Dabei muß äußerste Vorsicht walten.

nizamulmulk

Vielleicht heißt es: es liegt noch eine Unstimmigkeit vor, oder es mag nicht richtig verstanden worden sein. Derartige Botschaften sollen durch den Mund nur einer einzigen Person erfolgen, die sie selbst, nicht durch einen Vertreter, weiterzugeben hat. Dabei soll folgende Regel gelten: Jeweils bei Eingang eines solchen Befehls soll mit der Ausführung so lange zugewartet werden, bis der zugrunde liegende Sachverhalt nochmals seitens der Reichskanzlei der allerhöchsten Beurteilung unterbreitet wird.“[1]


17.

Über Tischgenossen (nadiman) und Vertraute (nazdikan) des Herrschers und Regelung ihres Verhaltens

istakhri tigris and euphrat

„Der Herrscher kann nicht umhin, würdige Tischgenossen um sich zu haben, mit denen er offen und zwanglos verkehrt. Denn das allzuhäufige Zusammensitzen mit den Großen, den Fürsten und Befehlshabern des Heeres wäre dem Ansehen und der Würde des Herrschers nachteilig, indem diese dadurch allmählich dreist würden. Im allgemeinen soll der Herrscher nicht zum Tischgenossen bestellen, wen er schon mit einem Amte oder einer sonstigen Tätigkeit beauftragt hat; und wen er zum Tischgenossen gemacht hat, den soll er nicht mit einem Amte betrauen. Denn der Tischgenosse neigt infolge der Ausgelassenheit, der er sich auf dem Teppiche des Herrschers hingibt, zur Willkür und würde den Leuten Ungelegenheiten bereiten. Während der Beamte zeitlebens vor dem Herrscher zittern soll, muß sich der Tischgenosse zwanglos geben, damit der Herrscher bei ihm Erquickung finde und sich im Umgang mit ihr

erheitere. (…) Der Tischgenosse bietet viele Vorteile: 1. Der Herrscher hat an ihm einen Gesellschafter. 2. Der Tischgenosse, der Tag und Nacht mit dem Herrscher zusammen ist, nimmt die Stelle eines Leibwächters ein. 3. Im Falle einer Gefahr – Gott behüte uns davor! – opfert er sich selbst auf, indem er mit seinem Leibe wie mit einem Schilde den Herrscher deckt. 4. kann der Herrscher mit den Tischgenossen über tausenderlei Sachen viel eher reden als mit denen, die seine Beamten sind. 5. sollen die Tischgenossen gleichsam wie Späher den Herrscher über die Verhältnisse der Prinzen (mulÚk) aufklären, und 6. sprechen sie in jeder Hinsicht zwanglos, über Gutes und Böses, nüchtern und trunken.

Darin liegt bedeutender Nutzen und Vorteil. Der Tischgenosse soll von edlem Wesen sein, einen lauteren Lebenswandel führen, ein gefälliges Äußeres haben, rechtgläubig sein, verschwiegen und aufrichtig. Er muß unterhaltend und in ernsten und heiteren Geschichten beschlagen sein und einen großen Teil der heiligen Überlieferung auswendig wissen. Er spreche stets nur von angenehmen Dingen und bringe gute Neuigkeiten vor. Würfel- und Schachspiel soll er verstehen, und wenn er außerdem die Saiten zu schlagen weiß und die Waffen zu handhaben versteht, ist es noch besser. Er soll mit dem Herrscher übereinstimmen, Zu allen Äußerungen desselben soll er bemerken: „Bravo! Gut gemacht!“ Er soll ja nicht den Lehrmeister spielen wollen, indem er erklärt: „Das tu! Jenes tu nicht! Warum hast du das getan? Solches hätte man nicht tun sollen.“ Denn dadurch würde er dem Herrscher lästig und verhaßt werden. Es ist angängig, daß die Tischgenossen alles anordnen, was mit Geselligkeit, Gelagen, Ausflügen, vertraulichen Zusammenkünften, Jagden, Polospielen und dergleichen zusammenhängt. Denn darin sind sie bewandert. (…) Der eine oder andere Herrscher hatte einen Arzt oder Sterndeuter zum Tischgenossen gemacht, damit er erfahre, was ein jeder vorhabe und wie jeder einzelne zu behandeln sei, wie es ihm selbst ergehen werde und was er tun solle. Diese gaben acht auf seine Natur und Leibesbeschaffenheit, wobei der Sterndeuter noch Zeit und Stunde für jedes vom Herrscher beabsichtigte Unternehmen beobachtet, auswählt und dem Herrscher anzeigt. Es gibt Herrscher, die beide als Tischgenossen ablehnen, indem sie bemerken, der Arzt halte sie von den wohlschmeckenden Speisen und angenehmen Genüssen ab, verabreiche ihnen auch ohne Krankheit und Leiden Arzneien und sei auf Belästigung aus (QazwÍnÍ: „und belästigt durch Aderlaß); der Sterndeuter aber behindere sie an der Ausführung jedes zu erledigenden Geschäftes, halte sie von wichtigen Unternehmungen ab und verleide das Leben.

Es ist schon besser, wenn man diese beiden erst dann herbeiholt, wenn man sie braucht.

Hat der Tischgenosse die Welt gesehen und ist er schon überall herumgekommen, hat er auch bei Großen bereits Dienst getan, so ist es besser.

(…) Alle Tischgenossen sollen ihre bestimmte Stellung und Rang haben: die einen sollen in Gegenwart des Herrschers sitzen, die anderen stehen, wie es vor alters in der Gesellschaft der Könige und ChalÍfen Brauch war. Noch heute herrscht diese Gepflogenheit in der alten ChalÍfenfamilie. Der ChalÍf hat immer noch so viele Tischgenossen, wie seine Vorfahren gehabt haben. Der Sultan von GhaznÍn hatte stets zwanzig Tischgenossen, von denen zehn saßen und zehn standen. Diese Ordnung und Übung hatte man von den SámÁniden übernommen.

Die Tischgenossen des Herrschers müssen als ein Teil des Gefolges vollen Unterhalt und volles Ansehen genießen, ihrerseits aber sich zusammennehmen, aufrichtig und dem Herrscher ergeben sein.“[2]


 

 

 


 


[1] aus: Nizamulmulk, Das Buch der Staatskunst Siyasatnama, trsl. Karl Emil Schabinger Freiherr von Schowingen, Zürich, 1987, S. 288

[2] Das Buch der Staatskunst Siyasatnama, trsl. Karl Emil Schabinger Freiherr von Schowingen, Zürich, 1987, S. 290-293

 

Leckeres 2012!

maulana rumi

Herr, dies ist mein Wunsch an dich mit viel Jammern und mit Schrei’n,
Ja, er kommt von Herzen mir, ist nicht bloße Rederei‘n!
Nimm mein Flehen gnädig auf, Schöpfer Himmels und der Erd,
Lass beim Guten allezeit, lass uns bei Gesundheit sein!
Noch was andres gibt‘s, o Herr, was ich immerfort gewünscht:
Ich bin ja ein blöder Knecht, rund geht mir das nicht so ein-:
Hunderttausend Laibe Brot, hundertfünfzigtausend Fladen,
Butterwecken reich mit Fett, hundertsechzigtausend Reihn.
Sechzigtausend Büffelkalb, – fünfzigtausend Wasserbüffel,
Tausend Ferkel füg‘ hinzu, grade reichen tausend Schwein‘.
Tausend Ochs, zehntausend Küh‘ solln mit Senf gesotten werden,
Und mit Knoblauch, Essig auch sei gekocht ihr Fuß und Bein.
Tausend Schafgesottenes und noch tausend zarte Ziegen
Fünfzigtausend Lamm mit Reis, sechzigtausend Zickelein.
Hühner, Enten ohne Zahl, und dergleichen Gänse auch,
Einige als Braten gar, ein‘ge fettgeröstet fein.
Wachteln auch und Tauben viel, komme Teller, Teller an,
Frankolin und Rebhuhn zart fange man in Netzen ein.
Fünfzigtausend Kessel Reis, ebensoviel Safranspeise,
Tausend Kessel Weizenbrei, fett – mit Keulen rühr man drein!
Leckre, leckre Suppen auch, Zartgehacktes und Bouletten,
Vierzigtausend Kessel Brei, süß von Haselnüssen rein.
Fünfzigtausend Blätterteig, ebensoviel Baklava,
Bamiyagemüse komm Teller ohne Zahl herein!
Helden sollen tausend Blech gutes Helva bringen uns,
Ebensoviel Schüsseln noch ess‘ ich mit den Fingern mein.
Kirschen tausendzentnerweis, fast so viel auch Aprikosen,
Hundert Zentner Apfel, Birn, Traubengärten schick darein …
Kaygusuz Abdal (1397- ca. 1453)


entnommen aus: Annemarie Schimmel: „Aus dem goldenen Becher – Türkische Gedichte aus sieben Jahrhunderten“, Köln, 1993, S. 55-56

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